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In eine geheimnisvolle Spiegelwelt entführt ...

... wurde das Publikum beim Abendvortrag von Prof. Dr. Walter Oelert

Nach den astrophysikalischen Vorträgen der letzten Jahre stellte der Vortrag "Antimaterie - die gespiegelte Welt - die geheimnisvolle Materie aus Antiteilchen" von Prof. Dr. Walter Oelert den Höhepunkt der physikalischen Vorträge am Simon- Marius-Gymnasium in diesem Schuljahr dar. Als Leiter einer Arbeitsgruppe am Forschungszentrum CERN stellte er im Jahr 1995 als erster weltweit Antiwasserstoffatome her und beobachtete sie. Am CERN befassen sich internationale Wissenschaftler aus mehr als 80 Ländern bei der Grundlagenforschung im Bereich der Teilchenphysik unter anderem mit der Frage, warum sich das Universum in 15 Milliarden Jahren so entwickelt hat, wie wir es heute sehen. Trotz widrigen Wetters fanden sich so viele Interessierte in der voll bestuhlten Aula des SMG zum Vortrag von Professor Oelert ein, dass einzelne sogar im Stehen seinen faszinierenden Ausführungen folgen mussten. Frau Weigel begrüßte neben Vertretern aus Politik und Bildungswesen alle erschienenen Mitglieder der Schulfamilie, also aktuelle und ehemalige Schülerinnen und Schüler, Eltern, aktive und ehemalige Lehrkräfte sowie Lehrkräfte umliegender Schule, Freunde des SMG und alle anderen Interessierten. Insbesondere bedankte sie sich beim Freundeskreis, der das SMG bei Vortragsveranstaltungen wie diesen unterstützt.

Gleich zu Beginn seines Vortrags verdeutlichte Herr Oelert, dass sowohl die Forschung im astrophysikalischen Bereich, die immer weiter in den Makrokosmos vordringt, als auch die im Bereich der Teilchenphysik, welche sich auf eine Reise in den Mikrokosmos begeben hat, letztendlich beim Urknall ankommen und Fragen zur Entstehung unseres Universums und dessen Entwicklung untersuchen. Hierbei kommt der Antimaterieforschung eine besondere Bedeutung bei, was sich auch im Laufe des Vortrags herausstellte. Somit ist es einleuchtend, dass Werner Heisenberg 1972 formulierte, " ... die Entdeckung der Antimaterie war vielleicht der größte all der vielen großen Schritte in der Physik dieses Jahrhunderts".

Grundlegende Informationen über Antimaterieteilchen wurden dem Publikum nun in humorvoller und anschaulicher Weise näher gebracht. Mit Hilfe von Gedankenexperimenten mit Jahrmarktspiegeln verdeutlichte der Vortragende komplexe Zusammenhänge von Materieteilchen und ihren jeweiligen Anti-Teilchen. Diese lassen sich unter Einsatz hoher Energien gleichsam aus dem Nichts erzeugen. Hier rezitierte Herr Oelert eine Passage aus Thomas Manns "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull", die ausführliche Betrachtungen zum Nichts enthält. Diesem Ausflug in die literarische Welt schlossen sich anschauliche Beispiele aus Bereichen des täglichen Lebens an, mit denen Professor Oelert dem interessierten Publikum Wissenswertes über Entstehung und Vernichtung von Antimaterie vermittelte. Zum Beispiel modellierte er Materie als Geld und Antimaterie als Schulden - selbst die Kreditzinsen fügten sich sinnig in dieses Modell aus der Wirtschaft ein. Alle Anwesenden waren letztendlich fasziniert von dieser geheimnisvollen Welt der Antimaterie und erahnen, welche unglaubliche Bedeutung die Herstellung der Antiwasserstoffatome im Jahr 1995 am LEAR (Low Energy Antiproton Ring) für die weiteren Forschungen in diesem Gebiet hatte. Das Publikum verstand auch, dass Antimaterie im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar ist - denn kommt sie in Kontakt mit Materie, zerstrahlt sie in einem Energieblitz. Dies birgt dann schon das nächste Problem: Bei ihrer Entstehung im Experiment erhalten Antimaterieteilchen sehr hohe Geschwindigkeiten und müssen stark gebremst werden, um sie genauer untersuchen zu können. Wie man etwas bremst, das man nicht in Kontakt mit Materie bringen darf, erläuterte Herr Oelert bevor er zum Abschluss seines Vortrags auf Anwendungsmöglichkeiten der Antimaterie einging. Er stellte ausführlich dar, wie sie bei der Positronen-Emissions- Tomographie eingesetzt wird und stellte vor, wie sie in Zukunft bei der Krebstherapie eingesetzt werden könnte.

Die wegen Vorkommen in Filmen und Büchern vielen sofort vor Augen stehenden Anwendungen der Antimaterie als Raketenantrieb, Bomben oder Energieerzeugungsmöglichkeit widerlegte Professor Oelert als unmöglich. Hinsichtlich der ersten beiden konnte er eventuell vorhandene Ängste restlos ausräumen. Die Unmöglichkeit des Einsatzes der Energiequelle wurde allen an einem sehr anschaulichen Beispiel klar: sämtliche in 60 Jahren am CERN hergestellte Antiprotonen zusammengenommen erzeugen lediglich genug Energie um eine einzelne Glühlampe einige Monate brennen zu lassen - und das für Kosten in Höhe von 32,5 Milliarden Euro. Direkt im Anschluss an den Vortrag beantwortete Professor Oelert interessierte Fragen des bunt gemischten Publikums. Im Hinblick auf eine sehr hintergründige Frage eines Schülers meinte er: "Als Professor an einer Universität oder einem Forschungsinstitut würde man sich diesen Studierenden merken, um ihm später eine Mitarbeiterstelle anzubieten."

Wir bedanken uns hiermit noch einmal aufs Herzlichste bei Herrn Professor Oelert, dass er sich auf die weite Reise machte und uns mit seinem begeisternden Vortrag in die geheimnisvolle Spiegelwelt der Antimaterieteilchen entführte. Nach lange anhaltendem Applaus noch vor dem gemütlichen, heiteren Ausklang in kleiner Runde bis kurz vor Mitternacht, bei dem viele Anekdoten aus einem erfüllten Forscherleben zum Besten gegeben wurden, ließen sich bereits die ersten ausschließlich positiven Publikumsstimmen vernehmen. Im Folgenden nur eine kleine Auswahl davon:

"Toll, selbst ich als Laie habe vieles verstanden."

"Ein faszinierender Einblick in diesen Forschungsbereich."

"Die Physik ist lebendig am Simon-Marius-Gymnasium."

U. Kiesmüller