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Der alte und der junge Faust und der Teufel auf weiblich

Der alte Faust und der weibliche Mephisto; Szene aus der Faust-Aufführung des Hamburger Tourneetheaters am Simon-Marius-Gymnasium

Faust Eins in exakt neunzig Minuten, mit nur vier Schauspielern bzw. Schauspielerinnen und in der Aula einer Schule mit sehr eingeschränkten Möglichkeiten einer Bühnengestaltung. Dass dies möglich ist, zeigte am 18. Oktober das Tourneetheater Hamburg vor den Schülern und Schülerinnen der 11. und 12. Jahrgangsstufe des Simon-Marius-Gymnasiums.

Was die Schauspieler und Schauspielerinnen des Hamburger Tourneetheaters in dieser Inszenierung zeigen, ist in mehrfacher Hinsicht beachtenswert. Zunächst ist Mephisto weiblich, sehr feminin mit lockigem, fast engelsähnlichem Haar und im weißen Kleid, ein krasses Gegenstück zu gängigen Mephisto-Vorstellungen. Traditionsbruch Nummer zwei: Faust selbst wird von zwei Schauspielern verkörpert. In der Szene Hexenküche tauschen sich der alte und der junge Faust gleichsam aus, bewegen sich spiegelbildartig aufeinander zu und während der alte Faust nach hinten verschwindet, spielt der junge Faust weiter, verführt das äußerst züchtig auftretende Gretchen und tötet schließlich mit Mephistos Hilfe Gretchens Bruder, der dabei vom Darsteller des alten Faust verkörpert wird. In der Schlussszene agiert wieder der alte Faust im Kerker, nachdem er sich innerlich von Mephisto abgewandt hat. Eine weitere Besonderheit der Inszenierung ist die Musik, fast im Sinne des Brecht´schen Verfremdungsgedankens eingesetzt. Wiederholt tritt die Mephisto- Darstellerin aus der Spielhandlung heraus und setzt sich ans Keyboard, um einzelne Monologe oder Dialoge musikalisch zu untermalen. Trotz der notwendigen Kürzungen bleibt die Handlung stringent und gut verständlich. Für die Schüler wie auch für die Lehrer war dieser Faust ein großartiges Theatererlebnis, das auch für die Nachbereitung im Unterricht viel Diskussionsstoff bot.

(Wolfgang Osiander)