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Eine kurzweilige Odyssee

Eine kurzweilige Odyssee durch die wichtigsten Stationen einer alten Sage präsentiert von der Schauspielmanufaktur Nördlingen

Die Sechstklässler sitzen erwartungsvoll in der Aula des Gymnasiums und warten auf den Beginn des Theaterstücks. Da erklimmt ein junger Mann in Jeans und T-Shirt etwas unbeholfen die Bühne. Er hat eine Tasche und einen Vogelkäfig in der Hand. Nachdem er sich auf die Bank gesetzt hat, die neben dem großen Bodenscheinwerfer die ganze Bühnenausstattung bildet, beginnt er zu erzählen. Er schafft es sofort, den Kontakt zu seinem Publikum herzustellen, und zieht es in seinen Bann.

Seine Erzählung, die von einer überaus lebendigen Mimik und einer ausdrucksvollen Körpersprache begleitet wird, handelt zunächst von der „kleinen Odyssee“ des naiven Bauernjungen Rico aus einem italienischen Dorf, der mit dem Zug in den nächsten Ort fährt, um sich Kanarienvögel abzuholen, die ihm von seinem Freund versprochen wurden. Dieser Rico, wunderbar verkörpert vom Schauspieler Nico Jilka, der gleichzeitig der Leiter der Schauspielmanufaktur Nördlingen ist, hört, während er auf den Zug nach Hause wartet, von einem alten Mann die spannende Geschichte der „großen Odyssee“. Er ist so fasziniert von der Erzählung, dass er seinen Zug verpasst und einen großen Umweg machen muss.

Die Sage hat ihn derart gefesselt, dass er sie unbedingt den jungen Zuschauern weitererzählen will. Der ungebildete Tölpel vom Land hat allerdings große Schwierigkeiten damit, die schwierigen griechischen Namen auszusprechen bzw. sich die richtige Aussprache zu merken, sehr zur Freude der jungen Zuschauer, die natürlich in ihrem Literaturunterricht bereits von der Odyssee und anderen Sagen gehört haben und Ricos ungeschickte Ausdrucksweise mit viel Gelächter quittieren. Aber weil dieser Junge so begeistert und mit so großem Einsatz die alte Geschichte darbringt, unterstützen sie ihn eifrig bei seiner Erzählung. So durchleben sie gemeinsam mit Rico die wichtigsten Stationen der Reise des Odysseus bis zu seiner Rückkehr in die Heimat. Sie fahren mit Odysseus ins Land der menschenfressenden, einäugigen Kyklopen, die aufgrund des geschickten Schattenspiels zwar riesig, aber doch nicht ganz so furchterregend wie im Original wirken. Die List des griechischen Helden, mit der er Polyphem besiegt, wie auch seine Begegnung mit der Zauberin Kirke, die ihn fast seine geliebte Penelope vergessen lässt, und viele andere Begebenheiten der großen Reise werden auf äußerst unterhaltsame Weise erzählt, so dass die Schüler staunend und begeistert dem Fortgang der Geschichte lauschen, obwohl die meisten sie eigentlich schon kennen.

Durch den Blickwinkel und die Sprechweise des naiven Jungen vom Land, dem die Literatur noch Welten erschließt und der auf einfache Weise witzig und mitreißend erzählen kann, wird die Geschichte des Odysseus noch einmal neu geschaffen. Die sehr gelungene Aufführung des Ein-Personen-Stücks wurde mit einem lang anhaltenden Applaus belohnt und die Schüler zeigten im Anschluss großes Interesse am Gespräch mit dem Darsteller. Die meisten Fragen der jungen Zuschauer drehten sich um die Schauspielerei, denn man hat ja nicht so oft Gelegenheit mit einem echten Schauspieler ins Gespräch zu kommen.   Christel Seidenath

Bild: Nico Jilka, Schauspielmanufaktur Nördlingen